Der große Geist eines rastlosen Schriftstellers
Am 4. August 1935 kommt am kleinen Bahnhof von Brancaleone aus dem fernen Turin Cesare Pavese an, ein Mann mit Brille, von kleiner Statur, der nur zwei mit Büchern vollgepackte Koffer und eine dreijährige, vom faschistischen Regime verhängte Haftstrafe mit sich führte; sein einziges Verbrechen war es, Briefe, die an seine damalige Freundin, eine Kämpferin der damals geheimen Kommunistischen Partei Italiens adressiert waren, zu erhalten. Pavese arbeitete mit dem Einaudi-Verlag zusammen, widmet sich der Übersetzung der großen amerikanischen Schriftsteller, studierte mit dem gleichen Scharfsinn und Eifer am Gymnasium Griechisch und schrieb Gedichte, die später in die Gedichtsammlung Lavorare stanca einfließen sollten. In Brancaleone entdeckte der Sohn der Langhe seine Ader als Romanschriftsteller und widmete den Tagen der Gefangenschaft seinen Roman Il Carcere, in dem der Protagonist, Stefano, das Alter Ego des Autors, mit der Realität einer „anderen“, mythischen und vergessenen Welt konfrontiert wird, die für ihn zu einer konkreten Metapher seines existentiellen Unbehagens wurde. Es gibt auch viele Briefe, die Pavese aus der kalabrischen Gefangenschaft an seine Schwester und Freunde geschrieben hat, in denen er unter anderem berichtet:
„Die Menschen in dieser Gegend sind von einem Anstand und einer Höflichkeit, für die es nur eine Erklärung gibt: Hier war die Zivilisation einst griechisch. Sogar die Frauen, die mich wie einen toten Mann auf einem Feld liegen sehen und „Este u' confinatu“ sagen, tun dies mit einem solchen hellenischen Taktgefühl, dass ich mich als Iberer fühle und glücklich bin.“
Bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde Pavese aus gesundheitlichen Gründen nicht angeworben und entschied sich, sich nach dem Waffenstillstand von 1943 politisch nicht mehr zu engagieren; eine problematische Entscheidung, die die autobiographische Grundlage vieler seiner Romane war. Nach dem Krieg kehrte er zum Einaudi-Verlag zurück und spielte eine Schlüsselrolle bei der kulturellen Wiedergeburt der Stadt. Seine Aktivität als Schriftsteller und Intellektueller verlief erfolgreich. In Viareggio wurde 1947 Il compagno ausgezeichnet. Große Erfolge beim Publikum und bei Kritikern auch für Prima che il gallo canti, 1949, Il Carcere und La casa in collina. Er empfand die Beziehung zu Frauen und das gemeinsame Leben mit ihnen nach mehreren enttäuschenden Erlebnissen als zunehmend unerträglich (die letzte für die amerikanische Schauspielerin Constance Dowling) und litt in der Folge an Depressionen. Am 27. August 1950 nahm er sich in einem Hotelzimmer in Turin das Leben.
Der Aufenthaltsort während seiner Gefangenschaft
Heute ist das Haus, in dem Cesare Pavese während seiner Verbannung wohnte, für den Tourismus her- und eingerichtet worden. Das Gebäude, das dank der Intervention des Rechtsanwalts Tonino Tringali, ein Liebhaber der Literatur von Pavese, gekauft und renoviert wurde, ist in wenigen Jahren zu einem Bezugspunkt für kulturelle Begegnungen und touristische Routen geworden. Der kleine und bescheidene Museumsraum, der sich entlang der Hauptstraße von Brancaleone befindet, bewahrt noch heute Möbelstücke und persönliche Gegenstände des Schriftstellers auf. Das Bett, der Schreibtisch, die Tischlampe und andere Elemente erinnern an die Vergangenheit und die schmerzhafte Einsamkeit, die Pavese in dieser Zeit geprägt hat. Die Pro-Loco von Brancaleone, sehr aktiv, bietet Gruppenführungen nach Voranmeldung an und schlägt einen geschichtlichen und kulturellen Rundgang vor, der auch Routen enthält, die dem Leben von Cesare Pavese gewidmet sind.
„Der Pavese-Pfad“ schlängelt sich vom Stadtzentrum aus zu all den Orten, die der in Santo Stefano Belbo geborene Schriftsteller während seiner Gefangenschaft besuchte. Ein paar Schritte von dem Haus entfernt, in dem er eingesperrt war, kann man in der „Bar Roma“, in der Pavese früher die Zeitung las, immer beobachtet von den Carabinieri, zu denen er bei Sonnenuntergang gehen musste, um sich zu melden, immer noch einen Kaffee trinken. Das Fenster, von dem aus er das Meer bewunderte, faszinierte und erschreckte ihn durch das, was er für die „vierte Wand des Gefängnisses“ im Freien hielt, in dem er lebte. Immer wieder bat er um die Kiste mit Büchern, die ihm seine Schwester schickte, um durch das Studium der Nostalgie, des Schmerzes und der Distanz seiner Gefühlslage Luft zu machen. Bis vor einigen Jahren war es noch möglich mit Zeitzeugen zu sprechen, die als junge Menschen von diesem großen Schriftsteller Nachhilfe in Latein erhielten. Alle waren erstaunt über seine Freundlichkeit und wie er in Handschellen aus dem Zug stieg.